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Rosa Paucker

Plastik - zwischen Müll und recycelbarem Gold.

Updated: Jun 17

Die Herausforderungen der Kunststoff Herstellung und Nutzung

Wir alle haben von den negativen Folgen von Plastikmüll gehört - doch warum wird Plastik weiterhin so viel produziert, und wie können wir als Verbraucher:innen und Bürger:innen zum Wandel beitragen? Plastik ist ein „Wundermaterial“ und hat viele Vorteile. Es ist sehr flexibel, weshalb daraus die verschiedensten Dinge geformt und hergestellt werden können, z. B. Verpackungen, Kleidung, Spielzeug, Kosmetikartikel, Baustoffe oder Medizinprodukte. In seiner Verwendung rettet es in der Medizin Leben oder hält Lebensmittel länger frisch. Wir brauchen Kunststoffe, um Windräder zu bauen oder Häuser zu isolieren. Außerdem ist Plastik leicht, bruchsicher, hitzebeständig, wasserfest, günstig und einfach in der Herstellung sowie äußerst langlebig [1]. Jedoch liegen genau hier die negativen Auswirkungen der Kunststoffindustrie.  

Plastik wird aus Materialien wie Steinkohle, Kalk, Erdöl und/ oder Erdgas hergestellt, welche nicht nur begrenzt auf unserer Erde vorhanden sind, sondern Ihre Verarbeitung geht auch einher mit einem hohen CO2 Emissionen, das gleichzeitig als Treibhausgas zum Klimawandel beiträgt. [2] Wissenschaftler:innen der ETH Zürich zufolge, trägt Plastik 4,5 Prozent zur globalen Treibhausgas-Emission bei. Im Jahr 2015 habe die Kunststoffproduktion einen Ausstoß von zwei Milliarden Tonnen CO2 verursacht. Der globale Kohlenstoff-Fußabdruck von Kunststoffen habe sich seit 1995 verdoppelt. [3]

Zwischen 1950 und 2015 wurden weltweit 8,3 Milliarden Tonnen Plastik hergestellt. Beachtet man zudem, dass heutzutage rund 40 Prozent aller Kunststoffe innerhalb eines Monats im Müll landen, ist es Besorgnis erregend, dass nur 9 Prozent von den 8,3 Milliarden Tonnen Plastik jemals recycelt wurden. Des Weiteren ist Deutschland EU-weit der größte Exporteur von Kunststoffabfällen. [4] Lückenhafte Recyclinginfrastrukturen und politisch bindende Regulatorien bezüglich Qualitätsstandards [5] erlauben das Exportieren von Müll in das Ausland, sodass unter anderem Plastikmüll über verschiedene Wege in die Meere und Ozeane [6] gelangt. In den Gewässern zerfällt er, wird aber nicht komplett abgebaut und stattdessen fressen Meerestiere und -vögel Mikroplastik. 2019 wurde im Magen eines vor Sardinien gestrandeten Pottwals ganze 22 Kilogramm Plastikmüll gefunden [7] und 2022 konnte eine Studie in China erstmals Mikroplastik im menschlichen Blutkreislauf nachweisen. [8]   

Eine Sektorübergreifende Analyse zeigt, dass 31,2 % der in Deutschland verarbeiteten Kunststoffe 2021 für Verpackungen eingesetzt wurden. [9] So sind es hauptsächlich die Strukturen globalisierten Konsumverhaltens, die zu der Anhäufung von Verpackungsmüll wesentlich beitrage: beispielsweise durch den Verkauf von Lebensmitteln mit langen Transportwegen sind die Produkte vielfach verpackt und der Verpackungsmüll landet nach ein paar Wochen schon wieder im Müll. Darüber hinaus ist 2020 der Umsatz in Deutschland durch den Online-Handel um rund 17 Prozent gestiegen; das sind 3,6 Millionen Pakete mehr als im Vorjahr 2019, und somit auch deutlich mehr Versandverpackungen, die die Umwelt belastet. [10 

Lösungstreiber ist hier vor allem die Umweltpolitik. Diese treibt nicht nur verschärfte Möglichkeiten der Regulationen von Plastikproduktion voran, sondern auch die Struktur des wirtschaftlichen Angebots von Produkten (wie beispielsweise das Verbot von Plastik Strohhalme zeigt [11]. Ebenso können staatliche Förderungen für Umweltbewusstes-Verhalten zu einem nachhaltigeren gesellschaftlichen Konsumverhalten führen [12]. Normierungs-Expertin Dr. Madina Shamsuyeva weist auch darauf hin, dass die hohen Kosten des Recyclings vom Staat nicht unterstützt werden und äußert, dass wenn sich die Herstellung und der Einsatz von Recycleten Kunststoff nicht rechnet, helfen auch Normen und Standards nicht. Auch hier in der Recyclinginfrastruktur wird staatliche Unterstützung gebraucht. [13


Zum Thema Plastik befragte das Verbrauchermagazin des Bayerischen Rundfunks ZGF-Mitarbeiter Dr. Stefan Einsiedel. Als Third-Mission-Institut der Hochschule engagiert sich das ZGF nicht nur in Forschung und Lehre für mehr Nachhaltigkeit, sondern pflegt dazu auch den Dialog mit der Zivilgesellschaft. 



Der benötigte politische Einfluss zur Kreislaufwirtschaft

Plastik ist nicht kompostierbar und wir brauchen nicht nur die richtigen Recyclingstrukturen, sondern bestmöglich eine langfristig funktionierende Kreislaufwirtschaft, und diese kann nur durch politischen Einfluss und die dementsprechende Regulatorik erzielt werden. In Deutschland gibt es bis dato vor allem drei verbindliche Vorgaben für die Kunststoff Industrie; das Verpackungsgesetz, die EU-Plastikabgabe und das Kreislaufwirtschaftsgesetz.  

Seit Januar 2022 hat das Bundesumweltministerium ein Verbot für spezifische Plastiktüten in das Verpackungsgesetz (VerpackG) aufgenommen. Das Inverkehrbringen von Plastiktüten, die dazu bestimmt sind, in der Verkaufsstelle mit Ware gefüllt zu werden, und eine Wandstärke von weniger als 50 µm aufweisen, ist verboten. Ausgenommen sind Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von weniger als 15 µm ("Hemdchenbeutel"), die aus Hygienegründen erforderlich oder als Erstverpackung für lose Lebensmittel vorgesehen sind, sofern dies zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung beiträgt. [14

Seit 2021 gibt es die EU-Plastikabgabe. Für jedes Kilogramm Verpackungsmüll, der nicht recycelt werden kann, werden 80 Cent fällig. Die EU lässt es den Mitgliedsstaaten jedoch bis dato frei, ob sie diese Abgabe aus dem regulären Haushalt bezahlen oder an die Unternehmen weitergeben, die Plastik in Umlauf bringen. Deutschland hat bisher ersteres getan und das Geld aus der Staatskasse an die EU überwiesen. [15] Ab dem 1. Januar 2025 werden die Kosten auf die Verursacher umgelegt. Dadurch werden die für Plastik anfallenden Kosten an die Hersteller abgegeben, was sich wiederum auf den Verkaufspreis bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern niederschlagen dürfte. [16] Dies läuft zwar zu Lasten der Verbraucher, kann jedoch zur nachhaltigen Verhaltensänderung beitragen: denn handelt ein Mensch bewusst nicht nachhaltig, obwohl ihm nachhaltiges Handeln wichtig ist, entsteht eine kognitive Dissonanz [17], also ein aversiver motivationaler Zustand. [18] Eventuell steigende Lebensmittelpreise durch die EU-Plastikabgabe zeigen jedoch auch die positive Möglichkeit auf, dass somit mehr lokale Bio-Lebensmittel verkauft werden, da diese günstiger sein werden als importiertes Obst & Gemüse und/ oder verarbeitete Lebensmittel, da lokale Lebensmittel einen kürzeren Transportweg haben und somit auch weniger Plastikverpackungen brauchen, was sich wiederum positiv zum den Klimaschutz beiträgt [19].  

Zuletzt gibt es in Deutschland das Kreislaufwirtschaftsgesetz, dass 2012 in Erstveröffentlichung als zentrales Bundesgesetz des deutschen Abfallrechts in Kraft getreten ist. Zweck des Gesetzes ist es, die Kreislaufwirtschaft zur Schonung der natürlichen Ressourcen zu fördern und den Schutz von Menschen und Umwelt bei der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen sicherzustellen. [20] Ab dem 1. Januar 2025 sind Entsorgungsträger dazu verpflichtet, Kunststoff- und Textilabfälle aus in ihrem Gebiet in privaten Haushaltungen angefallenen und überlassenen Abfälle getrennt zu sammeln. Dies wird die Verarbeitung von Kunststoff für Recyclingunternehmen um vieles vereinfachen. Großen Handlungsbedarf sieht der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) weiterhin beim Aufbau einer europaweiten Recyclinginfrastruktur. Für einen funktionierenden europäischen Sekundärrohstoffmarkt seien eine einheitliche Recyclinginfrastruktur sowie die Etablierung übergreifender Qualitätsstandards für recycelte Rohstoffe unerlässlich. Blank: „Erst so wird es auch Staaten mit geringerem Rohstoffaufkommen möglich, effizient und wirtschaftlich zu recyceln.“ [21

Eine neue Studie der ETH Zürich zeigt auf was es braucht, damit die Kunststoffwirtschaft völlig nachhaltig wird: eine Kombination aus 1) viel Recycling, 2) der Nutzung von CO2 aus der Luft und von Biomasse, und 3) ein verändertes Image von Plastik. [22] Kunststoffkreisläufe innerhalb der Planetaren Grenzen wären möglich. Dazu müsste mindestens 74 Prozent des Plastiks wiederverwertet werden. Konkret müssen die Recyclingprozesse verbessert werden und so effizient werden, wie andere chemische Prozesse es heute schon sind da sich bis dato nicht alle Kunststoffe wiederverwerten lassen. Die Studienautoren schlagen daher vor, auch bei der Nachfrage anzusetzen und dem Kunststoff einen anderen Wert beizumessen. „Plastik gilt als billig, was lange ein Segen war und nun zum Fluch geworden ist“, sagt Bardow. Angesichts seiner hervorragenden Eigenschaften sollten wir Kunststoff als den hochwertigen Werkstoff betrachten, der er tatsächlich ist. Somit darf er auch etwas kosten, und sein Recycling auch. [23]  

Akteure des Wandels: Unverpackt-Läden als Beispiel

Der Mensch macht sich kaum Gedanken über Probleme, die nicht unmittelbar auftreten, weshalb es der Gesellschaft schon jetzt einfacher gemacht werden muss, nachhaltig zu handeln. Dies kann nicht nur mit Hilfe von Umweltpolitik stattfinden, sondern auch mit den „richtigen“ Akteuren. [24] Unternehmen wie Unverpackt-Läden, Hersteller von alternativen Verpackungen wie das Mehrwegsystem von RECUP, oder Produkthersteller die aus recyceltem Plastik Möbel, Kleidung oder Accessoires produzieren, wie das Berliner Möbel Unternehmen  Pentatonic, die für Ihre Produktion Produkte nutzen, die wir im Alltag wegschmeißen (Mobiltelefone, Plastikflaschen, Einwegbecher), tragen dazu bei nachhaltiges Konsumverhalten zu fördern. 

Unverpackt-Läden haben lange Zeit eine versprechende Zukunft gezeigt, jedoch gibt es immer mehr Konkurrenz durch die großen Supermärkte, die zum Teil auch Unverpackt-Stationen eingerichtet haben, und zu niedrigeren Preisen einkaufen können als ein kleiner Laden. Außerdem habe sich auch bei den Verpackungen viel getan, sagt Carola Böhm, Besitzerin eines Unverpacktladens in Passau: „Viele Verpackungen sind nachhaltig oder werben zumindest damit – und das reiche manchen Menschen auch schon, wenn sie umweltbewusster konsumieren wollten.“ [25] Mit sinkenden Umsätzen kämpft auch der Laden "Unverpackt" in Darmstadt und hat in Folge bereits zwei Filialen schließen müssen. "Die gestiegenen Energiekosten, die allgemeine Inflation lässt die Leute ihr Geld zusammenhalten" [26], meint die Inhaberin des Geschäfts Bettina Will. Das hessische Umweltministerium hält die Unverpacktläden für wichtig. "Sie helfen, durch den Verzicht auf oft unnötige Verpackungen und die Verwendung von Mehrwegbehältnissen weniger Abfall zu produzieren" [27], meint Petra Meyer-Ziegenfuß, Leiterin der Abteilung Abfallwirtschaftsplanung. Sie förderten regionales Einkaufen und einen nachhaltigen Lebensstil. Allerdings sei eine finanzielle Förderung einzelner Gewerbetriebe nicht möglich. Auch vom Wirtschaftsministerium gibt es keine Unterstützung. [28

Fazit ist, deine strengere Umweltpolitik bezüglich Herstellung und Recyclings, sowie auch vom Staat finanziertes Werben und Bildung für Umweltbewusstes-Verhalten und einem breiteren Portfolio an Akteuren die nachhaltig produzieren, können klimaverträgliche Lebenspraxen als attraktive Alternativen in den Köpfen der Menschen verankert werden.  


Unverpackt-Läden in München & Umgebung




Quellen

  1. Lpb-bw.de. (2023). Plastikmüll.

  2. Schadwinkel, A. (2017). Klimawandel: Mit Fakten gegen jeden Zweifel. Die Zeit.

  3. Cabernard, Livia/Stephan Pfister/Christopher Oberschelp/Stefanie Hellweg (2021): Growing environmental footprint of plastics driven by coal combustion, in: Nature Sustainability, Bd. 5, Nr. 2, S. 139–148, [online] doi:10.1038/s41893-021-00807-2.

  4. Statistisches Bundesamt. (n.d.). Exporte von Plastikmüll in den letzten zehn Jahren um 51 % zurückgegangen.]

  5. Amrhein, U. (n.d.). Warum der Markt für recycelten Kunststoff nicht rund läuft. widersense.org.

  6. Plastikmüll im Meer - GEOMAR - Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel (o. D.): [online]

  7. www.wwf.de. (n.d.). Plastikmüll im Meer: tödliche Bedrohung für Wale und Delfine.

  8. geo.de. (2023). Mikroplastik-Fund im Herz: Experte warnt vor schweren Krankheiten.

  9. Wilke, S. (2013). Kunststoffabfälle. Umweltbundesamt.

  10. Bundesumweltministerium (o. D.): Online-Shopping und das Problem mit der Nachhaltigkeit | Artikel | BMUV, bmuv.de, [online]

  11. Alle informationen Zum Strohhalmverbot 2021. Strohhalm Verbot. (2021, June 25).

  12. Tagesschau.de. “Eu Verbietet ‘Greenwashing’ In Der Werbung.” Tagesschau.De, tagesschau.de, 24 Jan.2024

  13. Amrhein, U. (n.d.). Warum der Markt für recycelten Kunststoff nicht rund läuft. widersense.org.

  14. www.gesetze-im-internet.de. (n.d.). VerpackG - nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

  15. www.merkur.de. (2023). Neue Plastik-Steuer der Ampel: So viel müssen Verbraucher 2024 extra zahlen.

  16. IVy (n.d.). Bundesregierung einigt sich auf Plastiksteuer ab 2024 (1. Update) - Das neue Verpackungsgesetz (VerpackG) 2024.

  17. ZUM Projektwiki. (2017). Psychologie im Umweltschutz/Paradoxe beim Umweltverhalten: Wieso handeln wir oftmals entgegen unserer eigentlichen Überzeugungen? 

  18. Anon, (2021). Die Kognitive Dissonanz und die Klimakrise.

  19. “Preisvergleich: Bio-Produkte Sind Preisstabiler.” Öffnet Die Startseitewww.oekolandbau.de/handel/marktinformationen/preisvergleich-bio-produkte-sind-preisstabiler/.

  20. Bundesumweltministeriums (2020). Kreislaufwirtschaftsgesetz- BMUV - Gesetze und Verordnungen.

  21. Szombathy, M. (2023). Leistungsstarke Recycling-Infrastruktur europaweit aufbauen.

  22. idw-online.de. (n.d.). Eine absolut nachhaltige Kunststoffwirtschaft ist möglich.

  23. Eine absolut nachhaltige Kunststoffwirtschaft ist möglich (o. D.): [online]

  24. Paulus, J. (2018). Plastik – die Historie. [online] Jutta Paulus.

  25. Wirtschaftswoche (2023). Konsum ohne Müll: Unverpackt-Läden in der Krise – ein Konzept ohne Zukunft?

  26. Mayer, Ursula (2023): Inflation führt zu Schließungen: Unverpacktläden stecken in der Krise, in: hessenschau.de, 11.11.2023, [online]

  27. Schlüter, Anna/Carolin Friedrich (2023): Dialoge zum Abfallvermeidungsprogramm II, in: Abschlussbericht Umweltbundesamt.

  28. Kimpel, K. (2023). Unverpacktläden stecken in der Krise.

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