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Sarah Ruf

Eine Replik zur Studie von Prof. Joachim von Braun

Aktualisiert: 21. Okt. 2024

Prof. v. Braun unterstreicht seine positive Beurteilung der Studie, äußerte sich aber auch kritisch zu einigen der 12 Kernbotschaften der Studie, die er als „insgesamt kohärent, in Teilen wohltuend provokant“ empfindet:  



Replik von Prof. Joachim von Braun, aufgenommen am 11.09.2024 in München


Sehr geehrte Exzellenz lieber Bischof Dr Bertram Meier

Lieber Prof. Wallacher, lieber Herr Einsiedel, danke für die Einladung.

liebe Mitglieder der Sachverständigengruppe,

Sehr geehrte Damen und Herren.


Im Programm steht, dass ich eine Replik gebe. Ich frage mich, ist das Bildungssprachlich gemeint also Antworten geben, oder Rechtssprachlich also als Gegenrede? Ich bemühe mich um ein bisschen von beidem.


Zunächst möchte ich aber meine positive Beurteilung der Studie unterstreichen. Das Framing der Probleme und der Sachstand zum Drama Land und Böden sind angemessen erfasst. Die Studie kommt mit der ethischen Positionierung zur rechten Zeit. Boden hat nicht nur Marktwert. Bodenfruchtbarkeit musss für immer erhalten werden. Soil Mining muss beendet werden.


Nach langer Zeit der Marginalisierung der Bodenthemen, bewegt sich was in der Politik – in Deutschland, EU, China, Indien, Afrika, den UN: COP27 und 28 das African Soil Health Summit, Brasiliens G20 signalisieren Fortschritte für Landnutzung und Böden, und der Vatikan engagiert sich seit langem zum Thema mit Laudati Si, mit Laudate Deum, und den Faith and Science Dialogen mit Weltkirchen, die die COPs auch beeinflusst haben.

Die 12 Kernbotschaften sind insgesamt kohärent, in Teilen wohltuend provokant. Ich mache meine weiteren Anmerkungen nur zu einigen der Kernbotschaften bei denen ich Diskussionsbedarf sehe.   


Zur 1. Kernbotschaft: „Angesichts zunehmender Nutzungskonflikte und großflächiger Bodenverluste ist eine globale Nutzungswende von Agrarflächen dringend geboten. Diese muss Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Erhalt der Biodiversität durch Nutzung möglichst vieler Synergien gleichermaßen verfolgen.“ Replik: Dem ist zuzustimmen. Aber ohne das Einkommen aus Bodenbewirtschaftung explizit in die Zielkonflikte einzubeziehen, bleiben vor allem aus Sicht des globalen Südens die Zielkonkurrenzen unvollständig, denn Erlöse aus Bodenbewirtschaftung sind primäre Einkommensquellen der Millionen Kleinbauern und der Anteil am Volkseinkommen ist hoch.   


Zur Kernbotschaft 3.: „Böden … stellen … gesellschaftlich und ethisch betrachtet Gemeingüter dar.“ Replik: Das ist zum Teil richtig und wichtig. Aber die Problematik für politisches Handeln ergibt sich gerade aus der Dualität, dass Böden gesellschaftlich betrachtet sowohl public als auch private goods sind.  


Zur Kernbotschaft 4. „An Grundsätze der Christlichen Sozialethik und der Allgemeinen Menschenrechte anknüpfend formuliert die Sachverständigengruppe sozialethische Leitlinien für eine globale Landnutzungswende, deren Kern die Perspektive der Gemeinwohlorientierung darstellt. Diese ermöglicht es, …  die treuhänderische Verantwortung für die Schöpfung zu begründen.“ Replik: Ja gut. Ich frage aber, wessen Gemeinwohl ist hier gemeint? So ist Biodiversität auf der Welt nicht gleich verteilt, sondern oft an Standorten konzentriert. Große Bereiche der Biodiversität werden von Indigenen Bevölkerungen gepflegt, sind aber bedroht. Ich hätte ich mir die Betonung der Bedeutung indigener Völker gewünscht.


Zur Kernbotschaft 6. „Staatliche Regulierungs- und Förderpolitik sollte sich am Blickwinkel der Gemeinwohl-Effizienz orientieren und dafür sorgen, dass diese auch für einzelne Betriebe lohnend ist.“ Auch in Kernbotschaft 9 wird betont das staatliche gemeinwohldienliche Institutionen gestärkt werden müssen“.  Replik: Die starke Betonung staatlicher Politik ist m.E. zu begrenzt. Zivilgesellschaftliches und kollektives Handeln hätte in der Studie mehr Beachtung verdient, d.h. Institutionen Jenseits von Markt und Staat, wie von Nobelpreisträgerin Elenor Ostrom in „Governing the Commons: The Evolution of Institutions for Collective Action“ entwickelt.


In Kernbotschaft 8. Heißt es „Es ist unverzichtbar, einen gemeinwohlorientierten Ordnungsrahmen vorzugeben, der die Einhaltung der planetaren Belastungsgrenzen ermöglicht.“ Und im Maßnahmen Kapitel später heißt es, „Im Kontext der Landnutzung ist es sinnvoll, sich am Konzept der „Planetaren Grenzen“ zu orientieren.“ Replik: die Planetaren Grenzen sind kaum geeigneter Maßstab für Landwende hin zu nachhaltiger Bodennutzung. Wir können doch nicht akzeptieren, Böden im großen Maße lokal zu ruinieren, solange die Planetaren Grenzen noch eingehalten werden. Zudem ist die Evidenz der Komponenten der Planetaren Grenzen bis auf die Klima Komponente noch in der wissenschaftlichen Entwicklung, zum Beispiel auch bei der Biodiversität.


Abschließend zum Kapitel 4 „Stellschrauben der Landnutzungswende“

Die Bedeutung von landwirtschaftlich genutzten Böden als CO2 Speicher wird angemessen betont, insbesondere im Grünland und auf ehemaligen Moorflächen.“ Und Honorierung von Maßnahmen für die erhöhte Bindung von CO2 (von Carbon Capture and Storage bis zu Carbon Farming) wird befürwortet.   Replik: Ja, das sehe ich auch so, aber wir stehen noch vor ungelösten Problemen der Messung von Änderungen bei Boden-Kohlenstoff auf Zeitachsen. Das ist noch ein Forschungsproblem. Hier können wir leider noch nicht viel versprechen.


Die Studie sagt „es ist zielführend, sich zuerst an der Frage zu orientieren, wie man die Externalisierung negativer Umweltwirkungen möglichst direkt und am Ort ihres Entstehens überwinden kann.“ Replik: Ja, das ist zentral. In unserem Buch „Economics of Land degradation“ haben meine Kollegen und ich global und in 12 Länderstudien ermittelt, dass 46% der externen Kosten bei den Landnutzern anfallen, und 54% bei den Nutznießern von Ökosystemdienstleistungen. Die globalen Kosten haben wir damals vor 7 Jahren auf 300 Mrd US$ pro Jahr errechnet. Inzwischen denke ich es ist das doppelte. Und ein $ Investitionen in nachhaltige Landnutzung hat 5 $ Erlös. Daas Buch ist bis jetzt über eine Millionen mal im Netzt besucht worden. Neuere Forschung ermittelt nun auch die großen Gesundheitsschäden der Land und Bodendegradation. Diese Gesundheitskonsequenzen durch Staub und andere Luftverschmutzungen. Sie gehören zu den externen Effekten. Die Rolle von Forschung könnte im Nachgang zur Studie noch konkreter thematisiert werden.   

Die Instrumente, die am Ende der Studie genannt werden, um zu nachhaltiger Landnutzung zu kommen sind grundsätzlich zu begrüßen. In der weiteren Diskussion sollte an Umsetzungschancen und Probleme gedacht werden. In Partnerschaft mit allen Akteuren, und begleitet von Implementierungsforschung. Das gilt insbesondere für die Forderungen: Der Agrar- und Lebensmittelsektor in EU-Emissionshandel einbeziehen, Transformationsprämien, staatlichen Bezahlungen gemäß einem ökosystemaren Leistungskatalog, internationalen Handelsabkommen.


Abschließend zu Kernbotschaft 12. Den Rollen von Kirche. Ich stimme sehr zu, „Die Kirche steht in dreifacher Verantwortung: 1.) als eine Dialogermöglicherin, (2.) als eine Anwältin des Gemeinwohls und Stimme und Fürsprecherin marginalisierter und überhörter Gruppierungen. Und (3) innerhalb des eigenen Verantwortungsbereichs Vorbildfunktion wahrnehmen.“  Replik: ja, dem stimme ich gern zu. Aber da ist seit dem 4.Okt 2022 mehr einzufordern: Der Vatikan Staat ist am 4. Oktober 2022 der United Nations Framework Convention on Climate Change (UNFCCC) und dem Pariser Klimaabkommen von 2015 beigetreten. Wir haben dies mit einer Veranstaltung mit Kirchenführern, Politik und Wissenschaft in der päpstlichen Akademie der Wissenschaften gefeiert. Dieser Beitritt zu UNFCCC hat Konsequenzen für Verantwortung der Kirche, nicht nur in den Gärten des Vatikans, sondern weltweit, für kirchliche Politik für Klimaresilienz und klimaschonende Nutzung aller Ressourcen.


Ihre Studie betont ganz richtig „… es ist wichtig, das eigene Kirchenland nach dem Kriterium der Gemeinwohlorientierung zu bewirtschaften bzw. zu verpachten“. Replik: Ich hätte mir dazu konkrete Analysen gewünscht, wie es damit in Deutschland steht und wie es darüber hinaus in Europa und dem Rest der Welt steht. Das kann ja in Zukunft noch erfolgen.

Nochmal: Es ist gut, dass Sie zum Drama Land und Böden und der damit zusammenhängenden Ernährungs-, Klima und Biodiversitätsthematik Stellung bezogen haben. Ich wäre gern bei Ihne jetzt zur Diskussion persönlich anwesend gewesen.

 

 

 

Joachim von Braun ist ein deutscher Agrarwissenschaftler und spezialisiert auf Ernährungssicherung, ländliche Entwicklung und Welternährungspolitik. Im Jahr 2012 wurde er zum Vizepräsidenten der Welthungerhilfe berufen und ist zudem Professor für wirtschaftlichen und technischen Wandel an der Universität Bonn.

 

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3 comentários


Convidado:
07 de out. de 2024

Vielen Dank für die interessanten und ausgewogene Replik. Ich bin über die (irritierend unterschiedlichen) Presseberichte auf die Studie aufmerksam geworden und bin Ihnen dankbar, dass Sie hier auch diese konstruktive Kritik veröffentlichen, das macht mir die Meinungsbildung leichter. So wie ich es verstehe, war also der Vatikan nicht in die Erstellung der Studie einbezogen?

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Convidado:
08 de out. de 2024
Respondendo a

Dankeschön!

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