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Klimakrise als die Chance einer Transformation des Bauens

„Klimawandel, wir sind mitten drin“


Dieser Satz wurde im Mai 2024 auf einer der ersten Symposien des „Münchner Zentrums für Nachhaltigkeit“[1] an der Ludwig-Maximilians-Universität München konstatiert und fasst die globale Situation der Klimakrise unserer Zeit sehr gut zusammen. Diese Bedrohung ist kein Phänomen, sondern beschreibt die Klimakrise als eine komplexe ökologische, politische und gesellschaftliche Gefährdung, die nach nachhaltigen Lösungen und Auswegen sucht.[2] Die Veränderung des Klimas und die damit verbundenen Gefahren dulden keinen Aufschub, so dass wir etwas ändern müssen, sei es durch ein Tun oder ein Unterlassen, um so unsere Lebensgrundlagen nachhaltig zu erhalten. Der Klimawandel als ein globales und soziales Problem, das eng mit der Wahrung der Würde des menschlichen Lebens verbunden ist[3], droht in „einer immer voller werdenden Welt“ zu einem Konflikt zwischen den jetzigen und den zukünftigen Generationen zu werden. So beeinflusst der Mensch im Sinne des Anthropozäns[4] über 80% der Landfläche bei einem gleichzeitigen Rückgang der Biodiversität um 30%. Dabei ist das Bauen eine entscheidende Größe. Neben der Flächenversiegelung und den Veränderungen der Grundwasserströme ist das Bauen für ca. 60% des weltweiten Ressourcenverbrauchs, etwa 50% des weltweiten Abfallaufkommens und weltweiter Emissionen von klimaschädlichen Gasen, sowie für mehr als 35% des weltweiten Energieverbrauchs verantwortlich.[5] Aus dieser Situation ergibt sich eine besondere Dringlichkeit für eine Transformation nachhaltigen Handelns in der Architektur als Verantwortungsträger einer technischen, wirtschaftlichen und funktionalen Planung von Bauwerken.

Wir haben Gebäude, Häuser und Wohnungen als Artefakte,[6] als eine zweite Natur gebaut, in denen wir sicher und bequem leben können. So stellt jedes Bauvorhaben im Verbrauch von Ressourcen zur Herstellung von Gebäuden einen Eingriff „gegen die Natur“ dar, das Energie verbraucht, Emissionen verursacht und steht dadurch in einer nicht auflösbaren Grundspannung zum s Erhalt von Naturkapital.[7] Diese Entwicklung hat bei den Bauschaffenden eine weltweite Unsicherheit hervorgerufen. Sei es im Umgang mit den Dingen, die zum Bauen notwendig sind, wie die Herstellung von Zement, die etwa 8% der weltweiten Emissionen ausmacht, als auch im Gebrauch von Raum und Fläche als eine zukünftig nicht (mehr) unbegrenzt verfügbare Größe.[8] Nicht nur durch eine globale Zunahme der Bautätigkeit, sondern auch durch die ständig steigende Macht technischer Möglichkeiten erkennen wir die Auswirkungen auf unsere Lebenswelt. So dass die Welt und damit die Natur unseren Ansprüchen, unserer Art zu bauen kaum mehr gerecht werden kann und wir uns fragen müssen, wie wir diese Art zu bauen, was im ursprünglichen Sinn wohnen bedeutet,[9] zukünftig gestalten können, wenn wir sagen, dass wir nachhaltig leben wollen. Diese Transformation ist in der Umsetzung aber nicht nur an ein praktisches Tun, sondern zunächst an ein ethisches Verständnis geknüpft, was nachhaltiges Bauen bedeutet und bestimmen kann.

So ist es aus ethischer Sicht keineswegs selbstverständlich, dass Architekten und Architektinnen zu einem nachhaltigen Bauen verpflichtet werden können. Das ethische Problem bei der Umweltzerstörung besteht darin, dass erst in der Synthese von Einzelhandlungen ein Problem entsteht. Erst die Aggregation vieler einzelner, ethisch unproblematischer Handlungen schafft ein ökologisches Problem, weshalb es ethisch problematisch ist, nachhaltiges Handeln allgemein vorzuschreiben.[10] So stellt sich die Frage, was eine Ethik in der Architektur leisten soll, die einer solchen Verantwortung gerecht wird. Diese Verantwortungszuschreibung hat der Architekt und Philosoph Martin Düchs in der Verwendung einer Prinzipienethik entwickelt. Hier werden die vier Prinzipien der Gerechtigkeit, der Autonomie, der Sorge und das Nicht-Schadenprinzip aus der Medizinethik übernommen und um die Prinzipien der Wahrheit, der Schönheit und der Nachhaltigkeit um eine weitere Gerechtigkeitsforderung erweitert und geleichberechtig neben einander gestellt.

Nachhaltiges Handeln wird begrifflich zunächst aus der forstwirtschaftlichen Bewirtschaftungsmethode abgeleitet, in welchem dem Wald nicht mehr entnommen werden darf, als nachwächst. Dieser Gedanke beruht vor allem auf der Sorge um die eigenen Kinder und zukünftigen Generationen und stellt Umweltgerechtigkeit als eine inter- und intergenerationelle Gerechtigkeit in den Mittelpunkt.

In einem weiteren Schritt ist die Möglichkeit einer Weiterentwicklung in den Blick zu nehmen. Da sich die Welt strukturell verändern lässt, sind wir in der Lage, die Welt nach unseren Vorstellungen zu bauen und zu gestalten. Wir können natürliche Materialen so verändern, fügen und weiterentwickeln, dass sie uns, sei es durch einen ökonomischen, sei es durch einen sichereren Umgang, einen größeren Nutzen versprechen. Dies erscheint zwar kurzfristig vorteilhaft, deren Auswirkungen werden aber langfristig kaum betrachtet.

So kann der Kern des Nachhaltigkeitsbegriffs zusammengefasst als ein normativ gehaltvolles Konzept verstanden werden, das nur durch eine „dauerhaft-umweltgerechte“[11] Entwicklung realisiert werden kann. Soziale Gerechtigkeit, als sowohl inter- als auch intragenerationell wird als Teil der Gerechtigkeit gegenüber jetzigen und zukünftigen Generationen verstanden, insofern der Gebrauch von natürlichen Ressourcen und deren Weiterentwicklung betroffen sind.[12] Eine nachhaltige Transformation hängt damit zum einen von unserer Reflexions- und Umsetzungsfähigkeit, als auch von einer demokratischen Verfassung ab, die eine solche Entwicklung möglichst bald ermöglicht soll und kann, denn „wir sind mitten drin“.

 


 

Lutz Müller studierte Architektur, Kunstgeschichte und Philosophie in Konstanz, München und Zürich. Er arbeitet seit 2001 als freier Architekt und seit 2015 auch als Assistent an der FH Augsburg, sowie an der TU München. Die Forschungsschwerpunkte sind neben dem Holzbau die Frage nach einem ethischen Bauen im Sinne der Nachhaltigkeit.

 

 Quellen


[1] vgl. Vogt (2024) – Einführungsvortrag zu der Veranstaltung "Das ökologische Grundgesetz - Demokratie und Nachhaltigkeit" mit Prof. Jens Kersten, Prof. Felix Heidenreich und Dr. Eva Feldmann-Wojtachnia am Dienstag, den 7. Mai 2024 um 18.30 Uhr in Hörsaal D209 der LMU München.

[2] Ebda.

[3] vgl. https://duckduckgo.com/?t=ffab&q=laudate+deum&atb=v380-1&ia=web; Apostolisches Schreiben Laudate Deum, 3.

[4] vgl. Crutzen (2019, S.13-15); Crutzen datiert den Anfang des Anthropozäns auf Ende des 18.Jahrdundert und beginnt damit mit der industriellen Revolution, seitdem der Mensch intensiver, schneller und umfangreicher in die Natur eingreift.

[5] Sobeck, Werner, non nobis – über das Bauen in der Zukunft, Band 1: Ausgehen von dem was ist, Stuttgart 2023, S. 12.

[6] Krebs, Angelika, Naturethik im Überblick, in Krebs Angelika, Naturethik, Frankfurt 2020, S. 340.

[7] Düchs, Martin, Architektur für ein gutes Leben, Münster 2011, S. 194.

[8] vgl. Deutsches Architektenblatt 06/2024, S. 17-21.

[9] vgl. Heidegger, Martin, Bauen-Wohnen-Denken, Pfullingen, 1954, S.167-170.

[10] vgl. Düchs, Martin, Architektur für ein gutes Leben, Münster 2011, S. 192.

[11] vgl. Sachverständigenrat für Umweltfragen, Umweltgutachten 1994. Dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung. Leitbegriff für die Umweltpolitik der Zukunft, Stuttgart 1994.

[12] vgl. Düchs, Martin, Architektur für ein gutes Leben, Münster 2011, S. 192.

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